Regionalbischof Piper feiert Festgottesdienst zum 125-jährigen Bestehen des Diakonischen Werks Augsburg

Grassmann Piper Thoma und Ratz
Bildrechte KK Augsburg

Regionalbischof Axel Piper feierte Zusammen mit 150 Festgästen einen Gottesdienst zum 125. "Geburtstag" des Diakonischen Werks Augsburg.

Die Festpredigt zu Mt 20,20-28 finden Sie nun hier:

 

Es gilt das gesprochene Wort

 

Liebe Festgemeinde, 

Da sage nun einer, überbehütende Eltern seien typisch für die heutige Elterngeneration. Rasenmäher Eltern heißen sie seit neustem. Weil sie versuchen alle eventuellen Hindernisse für ihre Kinder schon einmal vorsichtshalber aus dem Weg zu räumen. Damit die ja nicht ins Stolpern geraten könnten. Rasenmäher-Eltern tun alles, was nötig ist, um ihr Kind vor Rückschlägen, Auseinandersetzungen oder Misserfolgen zu bewahren. Anstatt ihre Kinder auf Herausforderungen vorzubereiten, mähen sie Hindernisse nieder, sodass ihre Kinder sie gar nicht erst zu spüren bekommen.

Also ist die Mutter der Zebedäussöhne eine moderne Rasenmähermutter. Obwohl, ganz ehrlich: Wahrscheinlich wollen alle Eltern jeder Generation für ihre Kinder auch nur das Beste. Sorgen sich, Denken mit und würden ihnen gerne die Wege ebnen. Wir für unsere Kinder auch. Wenn Sie noch auf uns hören würden. Aber sie sind ja erwachsen. Das müssen wir lernen.

Die Mutter der Zebedäussöhne jedenfalls denkt sich offenbar: Versuchen kann man es ja mal. Mal sehen, was für die geliebten Kinder herausspringt. Und natürlich denkt sie als Mutter: Wenn es jemand verdient hat, dann doch meine Kinder. Und man ärgert sich doch, wenn man gute Talente bei einem Menschen aus missverstandener Bescheidenheit oder aus fehlendem Ehrgeiz verkümmern sieht. Zumal bei den eigenen Kindern. Diese Mutter ist also um ihrer Söhne willen besorgt und wütend auf Jesus wegen der Macht, die er über sie besitzt. Jetzt ist war sie ihnen sogar nachgereist und findet Jesus und seine Jünger, darunter ihre Söhne, auch.  An dieser Stelle in der Erzählung hören wir diese Mutter nun die Frage an Jesus richten, ob ihre Söhne nicht die Ehren-Plätze an der Seite Jesu in dessen Reich bekommen könnten.

Aber Jesus antwortet: Ihr ahnt nicht, worum ihr bittet! Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? - Also: könnt ihr das durchmachen, was ich durchmachen werde? - und dabei denkt er doch an die Demütigungen und Leiden, die ihm in Jerusalem bevorstehen. Ja, antworten sie freimütig. Ja, aber auch wenn ihr das könnt, so gibt es nur einen, der bestimmt, wer im Himmel Ehrengast sein wird, und das ist Gott, antwortet Jesus, und weist sie so zurecht.

Später sind die zehn übrigen Jünger wütend auf Jakob und Johannes und deren Mutter, mit ihrem Ehrgeiz und ihren spitzen Ellenbogen, und Jesus versammelt sie um sich und sagt: "Fürsten und Machthaber haben Macht, aber sie missbrauchen ihre Macht. So soll es unter euch nicht sein, sondern wer unter euch groß sein will, soll euer Diener sein, und wer unter euch der Erste sein will, soll euer Knecht und Sklave sein. Ganz wie ich, der gekommen ist, zu dienen und mein Leben zu geben zur Erlösung für viele."

 

Die Pointe ist unmissverständlich: Groß ist nicht der, der den besten Platz innehat, oder der, der aus Eifersucht nach diesem Platz strebt - nein, groß ist der, der dient. Das ist die einzige Würde, von der Jesus wissen will. Und damit haben die Jünger und ihrer Familien eine Antwort bekommen. Und vielleicht waren sie damit auch zufrieden nach dem Motto: Wir haben es wenigstens versucht. Nur haben sie es auch verstanden?

Müssten sie eigentlich. Denn kurz vor dieser Episode erzählt Jesus nämlich, was für Gott Gerechtigkeit bedeutet: Gerecht bedeutet nicht, dass automatisch der oder die mehr bekommt, der oder die besonders ehrgeizig oder begabt oder leistungsfähig ist. Gerecht heißt erst einmal, dass jede und jeder das bekommt, was er zum Leben braucht. Jesus wählt das Beispiel des Weinbergbesitzers, der seinen Weinbauern allen den versprochen Lohn gibt, einen Mindestlohn, den diese zum Leben brauchen. Und da spielt es keine Rolle, dass manche der Weinbauern nur wenige Stunden arbeiten konnten. Das ist nicht ihre Schuld. Wer weiß: Vielleicht würde er Gottes Gerechtigkeit heute mit anderen Bildern verdeutlichen: Würde erzählen von Menschen, die fliehen müssen, weil sie Zuhause nicht überleben können. Würde den Jüngern von heute Bilder vor Augen stellen von Kindern, die in Bergwerken schuften müssen oder Menschen, die für uns Billig-T-Shirts nähen, aber von ihrem Lohn nicht einmal leben können. Oder er würde uns von erzählen, die ein Leben lang gearbeitet haben, im Alter an der Tafel anstehen müssen, weil sie sonst nicht über die Runden kommen. Das ist nicht gerecht. Die Gerechtigkeit Gottes sieht anders aus. Gerecht bedeutet meinem Gegenüber das zum Leben zu geben, was er braucht.

Gott sei Dank gibt es Menschen, deren Ehrgeiz sich nicht in einem Ehrenplatz erschöpft, sondern die sich mit Herz, Hand und Verstand für diese Gerechtigkeit einsetzen. Die zum Beispiel hier im diakonischen Werk Augsburg für mehr Gerechtigkeit sorgen in und um Augsburg:

So arbeiten Frauen und Männer mit unterschiedlichen Ausbildungen und Berufen, Fähigkeiten und Begabungen in einer Dienstgemeinschaft zusammen. Haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende ergänzen sich in ihren Tätigkeiten.

In den Altenheimen gibt es Menschen, die gern singen oder ein Instrument spielen, Spaziergänge oder Vorleserunden machen mit den Bewohnern oder im Handwerk und bei Handarbeit geschickt sind. Menschen, die mit anderen Menschen „gerecht“ und „würdig“ umgehen.

Andere besuchen alleinlebende Menschen zuhause, ob jung oder alt, und bringen bei Kaffee und Kuchen anregende Unterhaltungen und Abwechslung ins Leben ihrer Mitmenschen

Im Bereich der Arbeit mit Asylbewerber*innen gibt es viele verschiedene Aufgaben. Die einen helfen im Sprachkurs, die anderen in der Hausaufgabenhilfe und der Alltagsbegleitung bis hin zur Unterstützung von größeren Projekten. Dabei bringen alle Ihre eigenen Fähigkeiten ein, um dem „Nächsten“ bei einem guten Start in Deutschland zu helfen und gleichzeitig profitieren alle vom interkulturellen Austausch. Denn persönliche Beziehungen sind der Schlüssel zur Integration und Zeichen unseres christlichen „Dienstes“.

Letztlich trägt der „Dienst“ von Ihnen allen dazu bei, dass das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft ein anderes, ein gerechteres und würdigeres wird. Denn was ist am wichtigsten: Dass ich mich selbst entwickle und in der Welt vorankomme oder dass ich der Gemeinschaft diene und deshalb um der Gemeinschaft willen zur Seite treten muss?

 

Es geht nicht darum, selbst nach oben zu kommen und Macht zu erwerben, wie die Mutter der Zebedäussöhne meint, sondern einander zu dienen. Das war damals und ist heute kein sehr populärer Gedanke. Es klingt ja auch nicht besonders attraktiv, dass man etwas für die Anderen sein soll und selbst nicht zu etwas Besonderem werden soll.

Es ist erst einmal nur verständlich, dass Selbstentfaltung und Individualismus denn auch hoch im Kurs stehen - allerorten - bei der Kindererziehung, im Schulgesetz, in der Bildungs- und Ausbildungspolitik und wenn man seine Bewerbung für eine Stellung schreiben soll.

Man wird geradezu aufgefordert, sich selbst, sein Äußeres und sein Inneres, seine Karriere, seine Familie in den Mittelpunkt zu stellen. Während die Rücksicht auf die Gemeinschaft, der man angehört - sei es in der KITA, in der Schule, am eigenen Arbeitsplatz, ihre Schule, am Arbeitsplatz, im Verein und auch in der Kirche - darunter leidet, weil es zunehmend mehr Hauptrollen geben muss und Hauptdarsteller.

Aber ist das überhaupt ein Gegensatz: Mich selbst verwirklichen und für andere da sein? Geht das nicht sehr gut zusammen? Wenn wir nämlich nur mit uns selbst und unserer eigenen Entwicklung beschäftigt sind, geschieht etwas mit uns - fehlt dann nicht etwas? Wenn man um sich selbst kreist, als wäre man das Zentrum der Welt, macht das nicht auch einsam und nicht gerecht – vielleicht selbstgerecht. Denn dann sind wir allein als das frei schwebende Individuum, das wir sind, und ganz allein verantwortlich für alles Glück, für Sinn und Ziel unseres Lebens.

Es gibt einen Alternativ-Weg, nämlich am Leben der anderen teilzunehmen. Als ein notwendiger Teil der Gemeinschaft - so wie alle anderen auch in der Gemeinschaft notwendig sind. Denn vor dem Herrn des Lebens sind wir Diener und niemals Herren. Das ist nicht moralisierend-demütig gedacht. Nicht so, dass in der selbstverzehrenden Liebe das Heil läge. Sondern: Wir finden im Dienen auch zu uns selbst. Vom Du zum Ich hat Martin Buber formuliert. Er meint: Dienen heißt nicht Selbstaufgabe. Dienen heißt Selbstverwirklichung. Nämlich in der Solidarität und in der Gemeinschaft auch mit den Schwächeren zu dem Menschen zu werden, zu dem uns Gott bestimmt hast – und dass Jesus so anschaulich und exemplarisch vorlebt.  

Er geht, - nicht um den Ehrenplatz zu bekommen - zum Sterbebett eines kleinen Mädchens, bleibt bei blinden und gehörlosen Menschen stehen, sucht die Nähe der Außenseiter wie die der damaligen Zöllner und sieht im verwirrten und seelisch erkrankten Menschen ein Kind Gottes. Will helfen, will verstehen und will uns sagen, dass auch wir auf diese Weise mehr von Gott und sich selbst verstehen lernt.